So ganz mithalten mit dem Bekanntheitsgrad so mancher Tiroler Touristenhotspots können Egg, Au, Mellau, Schoppernau und viele der anderen kleinen Dörfer im Bregenzerwald nicht. Den Bregenzerwald im Vorarlberg deshalb als Geheimtipp zu bezeichnen, ginge dann aber doch etwas zu weit. Immerhin kann er mit seinen zahlreichen, abwechslungsreichen Angeboten durchaus bei den Touristen punkten. Sei es der kulinarische Teil, seien es die perfekte Wandermöglichkeiten im „mittleren Höhenbereich“ oder seien es Wintersportgebiete wie zum Beispiel Damüls, das sich nicht hinter bekannteren Namen verstecken muss. Letztlich bleibt noch dazu der große Vorteil, dass es vom „Übertourismus“ weit entfernt ist und trotz seiner so dichten Lage am Bodensee durchaus noch ruhige Urlaubstage verspricht.
BUS:STOP - Sieben besondere Bushaltestellen
So kann man schon die Anreise Richtung Au, einem der beliebtesten Orte im Herzen des Bregenzerwaldes inklusive Campingplatz, zu einem ganz besonderen Sightseeing ausbauen. Hat man erstmal den Bodensee hinter sich gelassen und den Weg von der Autobahn hinein in die Welt der Berge geschafft, könnte es sein, dass aus dem Autofahrer plötzlich ein Sucher nach Bushaltestellen wird.
Wieso? Ganz einfach, unter dem Motto BUS:STOP ziert sich das Gemeindegebiet des Örtchens Krumbach mit sieben ganz besonderen Bushaltestellen. Eingeladen vom Verein Kultur Krumbach, haben renommiere Architekten den örtlichen „Wattehüsli“ (so im heimischen Dialekt) ihre ganz individuelle, künstlerische Handschrift verpasst. Eine kleine Broschüre hält zu jeder der Stationen interessante Zusatzinformationen bereit. So ist schon die Nummer 1, das „Glashaus“ des Chilenischen Architekten Smilijan Radice, ein besonderer Hingucker. Wer die typischen Bregenzerwaldstuben kennt, findet diverse Anknüpfungspunkte, wie die Bäuerlichen Holzsessel als Sitzgelegenheit für wartende Busgäste.
Symbiose aus Architektur und Natur
Rohe, unbearbeitete Eichenbretter des spanischen Architekturbüros von Anton Garcia-April und Debora Mesa bringen den Wald an die Straße. Der architektonische Vorschlag von Alexander Brodsky aus Russland stellt das Ganze auf sachlichere Beine, sprich ein radikal einfach gebauter Turm lädt etwas archaisch zum Warten ein. Nicht zuletzt ist auch der Architekturtraum des Japaners Sou Fujmoto ein Stopp und ein Fotomotiv zugleich. Ein Wald aus dünnen Stahlstangen, darin eine Stiege, die zu einem kleinen Ausblick führt, so sieht er seine Symbiose aus Architektur und Natur. Dass etwas Entscheidendes für ein Wattehüsli fehlt, merkt man erst, wenn es regnet. Schutz vor Nässe von oben bietet diese offene Konstruktion nicht.
Frauenmuseum - Nicht nur für Frauen
Was haben Bonn, Berlin und die kleine Gemeinde Hittisau gemeinsam? Ein Frauenmuseum. Davon gibt es im deutschsprachigen Raum nur eine Handvoll, doch hier war man mutig und hat sich in Reihe größerer Städte geschmuggelt. Warum nicht. Gerade im eher ländlichen Raum spielen die Frauen eine große Rolle. Ihr Leben früher und heute wird in zahlreichen Exponaten, Bildern und Dokumenten dargestellt und manche Sonderausstellung komplettiert das Ganze. So ging es 2024 ums „Putzen – Innen, Außen, Überall“.
Zwischenstopp: Käsekeller in Lingenau
Weiter unterwegs in Richtung Au und damit auch allmählich auf Winterspuren zeigen es kleine Schilder am Straßenrand, man rollt auf der Käsestraße Bregenzerwald. Und die ist in jeder Jahreszeit eine Entdeckungsreise der Sinne. Zahlreiche Talsennereien und „käsemachende“ Landwirte haben sich zusammengeschlossen, um das „Gold“ der Region zu vermarkten.
Dazu natürlich, und das sei nicht vergessen, auch 38 Alpsennereien, die sich im Sommer um den Käse auf den Almen kümmern. Dabei sorgen die unterschiedlichen Kräuter und Gräser für geschmackliche Vielfalt. So entsteht die kulinarische Kostbarkeit der Region. Wer kann da nein sagen zu einem Zwischenstopp im Bregenzer Käsekeller in Lingenau, dem größten Reifezentrum für Alp- und Bergkäse in Europa.
Tausende Käseräder lagern in Hochregalen und reifen über drei, sechs oder gar zwölf Monaten zu dem heran, was Käseliebhaber mögen. All das geschieht hinter einer einige Meter hohen Glaswand. Da gibt es viel zu schauen und natürlich zu verkosten, während die Käsemacher hinter der Glaswand, die den Käse vor den Touristen und die Touristen vor dem durchaus beißenden Geruch eines Reifekellers schützt, den runden Käselaibe regelmäßige Pflege angedeihen lassen. Dabei kommt auch moderne Technik zum Einsatz. Übrigens, nur gute drei Prozent der Milchbauern in Europa produzieren noch silofreie Heumilch. Die Bregenzer gehören dazu, und das schmeckt man.
Barockbaumuseum: Expedition in vergangene Zeiten
Der kleine, feine Campingplatz in Au ist dann für weitere Erkundungen im Bregenzerwald der perfekte Ausgangspunkt. Dort, bei Artur Köp und seiner Familie, gibt es dafür auch reichlich weitere Tipps. So unter anderem für eine Führung im Barockbaumuseum. Wer hätte das hier erwartet?
1657 gründete Michael Beer die hiesige Zunft der Barockbaumeister, die bis in die 1780er-Jahre über 800 Barockbauten in ganz Mitteleuropa schufen. Warum wurde gerade hier, in dem kleinen, abgeschiedenen Dorf eine solche Zunft gegründet? Wie war sie organisiert und wo überall hinterließen ihre Mitglieder ihre Spuren? Wie kamen die Frauen allein zurecht, wenn die Männer über Monate fernab der Heimat in aller Herren Länder für barocken Glanz sorgten? Diese und manch andere Fragen stehen im Mittelpunkt der kleinen, sehenswerten Exposition.
Infobox
Infos & Camping im Bregenzerwald
Bregenzerwald Tourismus GmbH, Gerbe 1135, A-6863 Egg, Tel.: 0043-5512/2365, www.bregenzerwald.at
Campingplatz Austria, Familie Köb, Neudorf 356, A-6883 Au im Bregenzerwald, Tel.: 0043-5515/2331, www.campingaustria.at
Wintersport in Damüls
Dass Artur Köp natürlich auch Ratschläge für winterliche Ergebnisse parat hat, versteht sich von selbst. Wenn schon Museen, dann auch das Skimuseum in Damüls. Hier wird in einem Kleinod der Weg zum modernen Skisport gezeigt und das Skigebiet von Damüls spricht für sich. Da kommen unter der beeindruckenden Mittagsspitze die schnellen Bretter zu ihrem Recht. Über 100 Kilometer Piste verbinden die Skigebiete Damüls und Mellau. Und hier in knapp 2.000 Metern Höhe herrscht auch Schneesicherheit. Damüls hält den Schneemengenrekord mit über neun Metern im Jahr – also ideal zum Skifahren und Rodeln.
Doch auch Winterwandern steht hoch im Kurs. So der Panoramaweg zur Niedere Höhe. Die Seilbahn von Bezau sorgt für die ersten Höhenmeter. Der Weg über die Niedere Alpe zurück zur Niederen Höhe garantiert herrliche Rundblicke über den verschneiten Bregenzerwald.
In Damüls, so ein besonderer Tipp, startet eine der kulinarischen Winterwanderungen, die die hiesigen Gastronomen und Touristiker für Wintergenießer ohne Ski konzipiert haben. Die beginnt mit einem regionalen Frühstückbüfett im Hotel Alpenstern, führt über die hoffentlich tief verschneiten Höhen zur Alpe Oberdamüls. Dort wartet stärkende Rast im Jägerstüble. Nach dem Rückweg durch das malerische Tal gönnt man sich im Damülser Hof noch einen süßen Abschluss. Nach reichlichen zehn Kilometern und immer bergauf und bergab hat man sich den Apfelstrudel redlich verdient.
Spezialisten im Glas
Abgesehen von den Käsespezialitäten und manch anderer regionaltypischer Leckerei auf dem Teller, hat der Bregenzerwald auch Besonderes für die Gläser in petto. Auch dafür ist der Campingplatz von Artur Köp ein guter Ausgangspunkt. Kommt man nach einem herrlich kaltem Tag aus der Bergwelt rund um Damüls zurück, hat die Ski oder auch die Wanderschuhe in die Ecke gestellt, lohnt auf jeden Fall der Abstecher in die Bergbrennerei Löwen.
Im urigen Holzhaus, dem man seine Jahrzehnte ansieht, geht es im Inneren nicht weniger urig zu. In der Gaststube steht Regionales hoch im Kurs und im Keller darunter reifen hochprozentige Verdauer. Denn nicht umsonst heißt es ja Bergbrennerei. Mit Leidenschaft kümmern sich die Brenner um Oliver Huber nicht nur um den ganz speziellen Löwen-Gin, dem Bergwurzeln, Alpenkräuter und Holunderblüten den einzigartigen Geschmack verleihen, nein, natürlich kommen auch „Klare Spezialitäten“ nicht zu kurz. Ob Meisterwurz, Haselnuss Geist oder der Klare Löwen Kräuter sowie verschiedene Obstbrände sorgen für den kleinen, feinen Abschluss eines guten Essens.
Tradition die man schmecken kann
Ist man einmal bei Spezialisten im Glas, sollte man auch die kleine Brauerei Egg nicht aus den Augen verlieren. (Ein Besuch ist nach Voranmeldung durchaus möglich.) Die letzte Traditionsbrauerei im Bregenzerwald hat nicht nur den „Oscars“ der Bierbranche in München gewonnen, sondern begeistert auch ganz „normale“ Biertrinker. Wenn zum traditionellen Käse oft Wein gereicht wird, Bier passt dazu nicht weniger gut. Bereits 1894 wurde hier das erste Bier gebraut. Wie Geschäftsführer Lukas Dorner erzählt, gab es damals im Bregenzerwald 32 Brauereien. „Heute sind wir als einzige übriggeblieben.“
Nicht ohne Stolz kann Lukas Dorner darauf verweisen. Seit sechs Jahren leitet der studierte Betriebswirt das kleine Unternehmen und hat dabei auch gelernt, dass „Bier eine Seele hat“. Wichtigster Mann für die Seele ist dabei Braumeister Dominik Lissek, der gebürtige Bamberger und diplomierter Braumeister gehört seit fünf Jahren zum Team. Die Kunden sind begeistert und das 2022 kreierte Egger Kellerbier wurde zum Oscars-Bringer.
Doch auch das Egger Wälder und die anderen, teils saisonalen, Biersorten finden ihre Abnehmer in der Region. Die rund 30 Mitarbeiter produzieren jährlich rund 20.000 Hektoliter Bier und dazu noch 7.000 Hektoliter Limonade. Vieles davon geht über den Rampenverkauf direkt an die Kunden und manches, so sagt man, auch im Kofferraum mit auf die Heimfahrt nach erlebnisreichen Tagen im Bregenzerwald.
Zum Weiterlesen:
Hier finden Sie weitere spannende Reiseberichte und inspirierende Reisetipps unserer Autorenschaft.