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Besuch beim Bartenwetzer in Melsungen

07.08.2024
Text: Claus-Georg Petri | Bild: Melsunger Land_Frank Dietrich

Zentraler in Deutschland geht’s kaum: Melsungen in Nordhessen. Diesen Namen kennt jeder, der mit seinem Gespann auf der Autobahn 7 gut 25 Kilometer von Kassel gefahren ist. Einfach mal den Blinker setzen, rausfahren – den Campingplatz an der Fulda ansteuern und sich überraschen lassen.

Tatsächlich ist Melsungen über die B 253 schon nach fünf Kilometern erreicht, und der Campingplatz an der Fulda lockt mit Nähe zur malerischen Fachwerkstadt. Zu Fuß sind es drei Kilometer bis zum historischen Rathaus, das einen Besuch unbedingt lohnt. Es wurde 1562 bis 1568 erbaut, nachdem es ein Großbrand zuvor zerstört hatte. Heute gilt es als eines der schönsten Fachwerk-Rathäuser Deutschlands – es steht nach allen Seiten frei und beherrscht den Melsunger Marktplatz. Schon 1928 wurden das alte Fachwerk und der bis dahin verschüttete Ratskeller wieder freigelegt. In dem Rathaus befindet sich die Stadtverwaltung. Der Mittelturm krönt das Gebäude und hier zeigt sich täglich um 12 und 18 Uhr die einzigartige Figur des Melsunger Wahrzeichens: der Bartenwetzer.

Das Melsunger Rathaus gilt als eines der schönsten Fachwerk-Rathäuser Deutschlands.
Foto: Melsunger Land/Frank Dietrich
Die Bartenwetzer-Brücke trägt ihren Namen von den Holzfällern, die hier einst ihre Äxte schärften. Diese Figur ist das Wahrzeichen der Stadt Melsungen.
Foto: Melsunger Land/Frank Dietrich

Melsungen und seine Brücken

Doch nicht nur das Rathaus, ganz Melsungen steht im Zeichen dieser historischen Figur. Schließlich verdienten viele Melsunger einst ihren Lebensunterhalt als Waldarbeiter. Bevor sie zum Holzschlagen in den Stadtwald zogen, trafen sie sich jeden Morgen auf der alten Steinbrücke und wetzten (schärften) im Sandstein der später so genannten Bartenwetzer-Brücke ihre Barten (Äxte). Die Schleifmulden sind noch heute deutlich zu erkennen.

Die Brücke gilt als eine der schönsten Brücken Hessens. Die massiven Pfeiler tragen flussaufwärts starke Wellen- und Eisbrecher. Obwohl sie trutzig aussieht, beschädigten starkes Hochwasser und Eisgang sie mehrmals. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurden zwei Brückenbögen gesprengt, erst im Jahr 1956 waren die Schäden vollständig beseitigt.

Ein anderes Kuriosum ist die Zwei-Pfennig-Brücke, 1890 als schnellere und bessere Verbindung zum Bahnhof errichtet. Darüber durfte nur gehen, wer in dem Brückenhäuschen seinen Zoll von zwei Pfennigen bezahlte – bis 1920 wurde an dem Zoll festgehalten. Heute gibt es hier stattdessen einen Tretboot-, Stand-Up-Paddle- und Wasserfahrräder-Verleih.

Der Bartenwetzer, das Wahrzeichen der Stadt Melsungen, erscheint zweimal täglich auf dem Turm des Rathauses.
Foto: Kultur- & Tourist-Info Melsunger Land

Schon Karl der Große soll auf seinem Sachsenfeldzug bei Melsungen eine Brücke über die Fulda geschlagen haben. Im Dreißigjährigen und Siebenjährigen Krieg plünderten oft Truppen die Stadt. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte Melsungen mehrfach seinen Besitzer. Wohl am heftigsten wurde der Streit zwischen hessischen Landgrafen und dem Mainzer Erzbischof geführt. Im Jahr 1427 behielt der hessische Landgraf Ludwig I. in einer Entscheidungsschlacht die Oberhand.

Die historische Bedeutung der Stadt kommt nicht von ungefähr: Melsungen lag an der Kreuzung dreier mittelalterlicher Handelsrouten: dem Sälzerweg (West-Ost), auf dem Karren mit Salz Richtung Westen kamen, der Nürnberger Landstraße (NordSüd), die noch bis ins 20. Jahrhundert hinein als Heer- und Handelsstraße diente, und der Straße „Durch die langen Hessen“, die südlich von Melsungen die Fulda überquerte und gen Spangenberg weiterführte. Dank dieser Routen kamen Handelswaren und damit Wohlstand nach Melsungen.

Es entstanden regelmäßige Wochen- und Jahrmärkte. Aktuell findet der Wochenmarkt jeden Donnerstag von 9 bis 14 Uhr rund ums Rathaus statt. In der Stadt ließen sich einst vor allem Woll- und Leinenweber, Schneider und Metzger nieder. Vor allem das Textilgewerbe blieb bis ins 20. Jahrhundert hinein ein bedeutender Wirtschaftsfaktor der Stadt.

Das Landgrafenschloss

Ein weiteres Zeugnis der Vergangenheit ist das Melsunger Landgrafenschloss, errichtet als Jagdschloss für Landgraf Philipp den Großmütigen von 1550 bis 1557. Es diente 1627 bis 1632 Landgraf Moritz dem Gelehrten als Sitz. Danach war es Garnison der landgräflichen Reiter, und im vergangenen Jahrhundert war in den historischen Mauern die Hessische Forstakademie untergebracht, heute das Amtsgericht und das Finanzamt.

Wer westlich vom Schloss einen kleinen Wirtschaftshof passiert, gelangt in den Schlosspark mit altem Baumbestand und Schlossteich. Links ist ein stattlicher Rest der alten Stadtmauer sichtbar, den ein Rundturm überragt. In den hessischen Sommerferien verwandelt sich der Schlossgarten für einige Wochen zum Biergarten mit Kultur- und Musikprogram.

Gegenüber vom Schloss steht der ehemalige Marstall, 1577 von Landgraf Wilhelm IV von Hessen-Kassel erbaut. Im 30-jährigen Krieg nahm das Gebäude zeitweise 50 bis 60 Pferde auf. Farbig abgesetzt trägt es das große Hessische Staatswappen von 1577. Heute logiert darin das Amtsgericht. Die Figurengruppe mit der Gänsemagd vor dem Gebäude erinnert an das frühere Melsungen als Ackerbürgerstädtchen. Schlossgarten und Innenhof sind frei zugänglich, Schloss und Marstall stehen nicht für Besichtigungen offen.

Rund um das Schloss erstreckt sich ein öffentlich zugänglicher Park, ein beliebtes Ziel für Besucher.
Foto: Kultur- & Tourist-Info Melsunger Land
Die Stadtkirche, erbaut als Hallenkirche im gotischen Stil, ist das älteste erhaltene Bauteil der Stadt Melsungen, um 1200.
Foto: Kultur- & Tourist-Info Melsunger Land

Stadtkirche, Hospitalskapelle St. Georg und der Eulenturm

Anders die Stadtkirche, erbaut als Hallenkirche im gotischen Stil. Von der romanischen Vorgängerkirche steht noch ein Teil der Westwand samt Portal sowie der untere Teil des Kirchturms. Dies ist das älteste erhaltene Bauteil der Stadt Melsungen, um 1200, Turmbau um 1225. Den frei zugänglichen Innenraum schmücken Schlusssteine, etwa ein Christuskopf in byzantinischer Manier und ein Deutsch-Ordensritter. Im Chor findet sich eine Grabplatte für den 1550 verstorbenen Wilhelm von Hessen, „Freiherr zur Landsburg und Burgmann in Melsungen“, die das Wappen des Verstorbenen ziert.

Ein anderes Gotteshaus in Melsungen ist die Hospitalskapelle St. Georg, ein romantischer Fachwerkbau, schon 1303 erstmals urkundlich erwähnt. Auf einem großen Gartengrundstück steht das 1789 errichtete Hospital St. Georg. Der Fachwerkbau dient heute als soziale Wohnstätte.

Ebenfalls sehr alt – erbaut um 1387 – ist der Eulenturm, einziger noch in ursprünglicher Höhe erhaltener Befestigungsturm der ehemaligen Stadtmauer. Strategisch wichtig: Von seiner Spitze aus blickten Wächter bis weit Richtung Süden die Fulda und Nürnberger Landstraße entlang. Von 1575 bis 1690 diente der Turm als Gefängnis und wurde deshalb Diebesturm genannt. Später wohnte der Stadtdiener in einer Wohnung in der oberen Turmhälfte. Vor einigen Jahren wurde der Eulenturm komplett renoviert.

Das Schöne an Melsungen – abgesehen von diesen Attraktionen: Sämtliche sehenswerte Punkte lassen sich bequem zu Fuß oder mit dem Rad erreichen. So wie das Gespann, das auf dem Campingplatz in den Auen der Fulda steht.

Infobox

Info Melsungen

Tourist-Info, Am Markt 5, 34212 Melsungen, Tel.: 05661/9289890, www.melsungen.de, www.melsunger-land.de

Schloss Melsungen, Tel.: 05661/708200, www.deutsche-maerchenstrasse.com 

Historisches Rathaus, Am Markt 1, Tel.: 05661/7080

Camping- und Freizeitzentrum am See, 34212 Melsungen, OT Obermelsungen, Malsfelder Straße 23, Tel.: 05661/923770, www.campingplatz-melsungen.de

Redaktion
Claus-Georg Petri
Claus-Georg ist seit 1995 bei Camping, Cars & Caravans und ist Experte für Reisen und Hintergründe und alles Mögliche.
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