> Kompakt-E-Bikes mit 20-Zoll-Reifen

Kompakt-E-Bikes: Kleines Rad ganz groß

09.10.2024
Text: Maren Siepmann | Bild: Qio, Erhard Mott, Flyer

Wer E-Bikes mit zum Camping nimmt, weiß: Möglichst leicht und handlich sollten sie sein, gleichzeitig aber trotzdem einen guten Fahrkomfort bieten. Hier kommen kompakte Pedelecs mit 20-Zoll-Reifen ins Spiel. Eine Kaufberatung.

Ein Caravan mit Fahrradträger auf der Deichsel ist fast üblich. Radeln gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen der Camper – besonders seit die E-Bikes so hoch im Kurs stehen. Sie dienen als Pkw-Ersatz auf der morgendlichen Fahrt zum Bäcker oder beim Ausflug in die nächste Stadt und sind nicht nur bei älteren Campern beliebt. Auch jüngere Radler wissen die Unterstützung des Elektromotors zu schätzen – erleichtert er nicht nur steile Anstiege, sondern erweitert auch den Radius ungemein. Allerdings sind E-Bikes richtig schwer und oft auch sperrig, sodass sie für die Deichsel oder Fahrradgarage im Heck nicht immer taugen.

Hier kommen die kompakte 20-Zoll-E-Bikes ins Spiel. Sie sind nicht nur leichter als große Räder (das Gewicht der meisten kompakten Modelle liegt zwischen 24 und 26 Kilogramm), sondern auch deutlich flexibler beim Transport. Modelle mit drehbarem Lenker und klappbaren Pedalen passen dann auch in die Fahrradgarage im Caravan. Dennoch sind die kompakten Pedelecs stabil, alltags- und tourentauglich und eignen sich sogar, um kleinere Hunde oder Einkäufe – einen entsprechenden Gepäck- oder Lastenträger vorausgesetzt – auf ihnen zu transportieren.

Jede Steigung verliert ihren Schrecken – mit der E-Power nach Wunsch sind Fahrräder, besonders die Pedelecs, auf einem unvergleichlichen Siegeszug.

Skeptiker mögen bei der One-Size-Rahmengröße der „Kompakten“ zunächst kritisch die Augenbrauen hochziehen – dank schnell verstellbarer Lenker und Sättel eignen sich die kompakten E-Bikes grundsätzlich jedoch für alle Fahrer zwischen 1,60 und 1,90 Meter Körpergröße. Ihre Bauweise ermöglicht zudem ein zulässiges Gesamtgewicht – je nach Modell – von bis zu 180 Kilogramm, wodurch die kleinen Flitzer auch für schwere Fahrer geeignet sind.

Weitere Vorteile sind der tiefe Schwerpunkt, der für ein angenehmes und sicheres Fahrgefühl sorgt, die komfortable, aufrechte Sitzposition und der tiefe Einstieg. Auffällig sind die großvolumigen 20-Zoll-Reifen. Sie bieten einen geringeren Rollwiderstand als schmale Reifen – rollen bei gleichem Luftdruck also leichter –, das große Volumen dämpft zudem Fahrbahnunebenheiten wie Schotter oder Kopfsteinpflaster. Und wer glaubt, mit einem kleinen Rad müsse er mehr treten als mit einem großen, der täuscht sich: Denn mit der entsprechenden Übersetzung des Ketten- oder Zahnriemenantriebes erreicht er die gleiche Geschwindigkeit wie mit einem großen 28-Zoll-Rad.

 

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Kompakt-Bike versus Faltrad

Während Falträder sich klein zusammenklappen lassen, bieten kompakte E-Bikes diese Möglichkeit nicht. Ihr Packmaß ist – verglichen zum Faltrad – trotz meist gleicher Felgengröße von 20 Zoll somit deutlich größer. Dennoch gibt es Gründe, sich zwar für ein 20-Zoll-E-Bike, aber gegen ein Faltrad zu entscheiden.

Denn kompakte E-Bikes ohne Faltmechanismus sind deutlich stabiler und bieten in der Regel ein deutlich höheres zulässiges Gesamtgewicht und somit größere Zuladungsreserven. Vor allem für große und schwere Fahrer ist dies nicht unerheblich. Falträder hingegen sind immer dann im Vorteil, wenn es auf kleinstes Packmaß ankommt – und die Räder beispielsweise in den Kofferraum oder den Stauraum unterm Kinderbett passen müssen.

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Der Motor

Wer auf der Suche nach einem E-Bike ist, beschäftigt sich früher oder später auch mit einigen technischen Fragen. Motorleistung, Akkukapazität, Bremsen, Kette oder Riemen – auch wenn kaum ein Hersteller die Möglichkeit bietet, sich sein Rad aus dem Baukastenprinzip selbst zusammenzustellen, so ist es doch gut, wenn der Kunde etwas Ahnung von den wichtigsten Bauteilen und Komponenten hat.

Beim Motor dominiert Bosch seit Jahren den deutschen Markt. Aber auch Shimano, Panasonic oder Yamaha sind je nach Hersteller und Modell an manchen E-Bikes verbaut. „Die großen Motorenhersteller unterscheiden sich in Bezug auf Qualität und Funktionalität nur in Nuancen“, sagt Gerd Klose, Geschäftsführer beim E-Bike-Hersteller Merida & Centurion. „Bosch leistet hier aber seit Jahren gute Arbeit und bietet sehr gute, wartungs- und fehlerarme Produkte und einen hervorragenden Service. Ähnliches gilt für Shimano, auch wenn sie es auf dem deutschen Markt nie ganz geschafft haben, auf Bosch aufzuschließen.“

Aussichtsreicher Newcomer ist Pinion. Die Schwaben haben vor 12 Jahren mit der Vision begonnen, ein komplettes Antriebssystem zu entwickeln, das Schaltung und Motor in einer einzigen Einheit vereint – eine Motor-Getriebe-Einheit für E-Bikes sozusagen. Nach fünfjähriger Entwicklungszeit ist diese Mission in Form der Pinion MGU Realität geworden. Seit 2022 setzen auch renommierte Hersteller diese Motoren ein.

Welches Motorenmodell mit welcher Leistung am Ende verbaut werde, entscheide ohnehin der E-Bike-Hersteller – passend zum jeweiligen Bike und dessen Verwendungszweck. Bei kompakten E-Bikes kämen in der Regel Motoren mit mittlerer Leistung und Drehmoment zum Einsatz, erklärt Klose. Die meist etwas älteren Fahrer bräuchten für ihre Touren einfach nicht dieselben Hochleistungsmotoren wie sportliche Mountainbiker – im schlimmsten Fall könnte ein extrem stark anziehender Motor für unsichere Fahrer sogar zur Gefahr werden.

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Glaubensfrage Motor: Front, Mitte oder Heck?

Wo am Fahrrad der Motor verbaut ist, spielt vor allem für Fahrkomfort und Sicherheit eine wesentliche Rolle. Bei der breiten Masse an E-Bikes – sowohl bei kompakten als auch bei City- oder Touren-Rädern – hat sich der Mittelmotor durchgesetzt. Das Gewicht sitzt zentral am Rad, der Motor kann von der Batterie am besten angesteuert werden, es sind keine zusätzlichen Kabel nötig und es gibt keine thermischen Probleme mit der Wärmeabführung. Kurz: Ein Mittelmotor lässt sich bestmöglich ins gesamte Rad integrieren.

Heckmotoren finden sich fast ausschließlich bei sogenannten „Light-Support-Rädern“ – Bikes wie Rennräder oder Gravelräder für sportliche, ambitionierte Fahrer, die nur eine leichte, subtile Unterstützung für ihr Training benötigen. Heckmotoren haben daher auch oft lediglich 50 Watt (statt wie viele Mittelmotoren bis 250 Watt).

Frontmotoren am Vorderrad spielen im Grunde keine Rolle mehr. Wurden sie in den ersten Jahren der E-Bike-Entwicklung noch häufig eingesetzt, sind sie heute höchstens bei sehr günstigen E-Bikes (meist aus Asien) zu finden. Zu empfehlen sind sie nicht: Zu schnell dreht das Vorderrad durch oder rutscht auf nassem Untergrund weg – die Fahrsicherheit wird durch einen Frontmotor stark beeinflusst.

Über das Display am Lenker kann der Fahrer den Unterstützungsmodus wählen sowie Geschwindigkeit und Reichweite ablesen.

Die Schaltung

Ketten- oder Nabenschaltung? Auch hier ist ein eindeutiger Trend zu erkennen. „Kompakte E-Bikes werden mittlerweile fast ausschließlich mit Mittelmotor (siehe Kasten unten) und Nabenschaltung angeboten“, erklärt Erhard Mott. Er beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit E-Bikes, betreibt im baden-württembergischen Lauda (zwischen Würzburg und Heilbronn) die E-Bike Erlebniswelt Mott. „Die Nabenschaltung hat sich als besonders robust, wartungs- und verschleißarm bewährt. Anders als Kettenschaltungen sind sie völlig unempfindlich gegenüber Beschädigungen beim Transport, und auch Staub, Sand und Feuchtigkeit haben keine Chance, das in der Nabe geschützte Schaltgetriebe zu beschädigen.“ Der Vorteil einer Kettenschaltung liege im Grunde nur in deren geringerem Gewicht von rund einem Kilogramm.

Gut zu wissen: Eine Nabenschaltung erfordert es, das Getriebe beim Schaltvorgang kurz zu entlasten – der Fahrer muss also aufhören zu treten, um den Gang wechseln zu können. Vor allem beim Runterschalten am Berg mag dies zunächst hinderlich erscheinen – doch mit etwas Übung ist das in der Regel kein Problem. Tipp: Frühzeitig runterschalten – und nicht so lange in einem Gang fahren, bis gar nichts mehr geht.

Kette oder Zahnriemen – Riemenantrieb punktet durch längere Lebensdauer und weniger Pflegeaufwand. Eine Kette ist aus Stahl und erheblich robuster als Riemen.

Der Antrieb

Kette oder Riemen heißt hier die Frage. Ähnlich wartungsarm wie eine Nabenschaltung ist auch ein Zahnriemen. Immer häufiger kommt er statt einer klassischen Kette zur Kraftübertragung vom Motor zum Hinterrad zum Einsatz. Anders als eine Kette muss ein Zahnriemen nicht regelmäßig gepflegt und geölt werden, Nachteile hat er so gut wie keine. Lediglich bei extremer Kälte und viel hohem Schnee können sich die Zähne zusetzen und der Riemen überspringen – doch bei solchen Bedingungen bleibt das E-Bike meist ohnehin stehen.

Auch preislich macht ein Zahnriemen im Vergleich zur Kette kaum einen Unterschied – und wenn es am Ende vielleicht doch 100 Euro sind, fällt dies bei einem Gesamtpreis von 3.000 bis 4.000 Euro für ein E-Bike kaum ins Gewicht. Wer also die Wahl hat, dem sei durchaus die Entscheidung für den Zahnriemen nahegelegt.

Bei im Rahmen eingebauten Akkus sollte der Käufer darauf achten, dass dieser von oben oder seitlich eingesetzt wird. So ist er besser vor Schmutz und Nässe geschützt.

Der Akku

Je mehr Akkukapazität, desto besser? Nicht unbedingt. Denn je größer der Akku, desto mehr Zeit und/oder einen höheren Ladestrom benötigt er, bis er vollgeladen ist. Bosch beispielsweise bietet für seine Akkus Kapazitäten zwischen 400 und 725 Wh an. „Für die meisten Camper mit kompakten E-Bikes reicht der 545-Akku vollkommen aus“, meint Erhard Mott. Eine Tagestour von 50 bis 70 Kilometer sei damit problemlos möglich. Wer sich dennoch ausführlicher mit der benötigten Akkukapazität beschäftigen möchte: Bosch bietet online einen praktischen Reichweiten-Assistenten an.

Wo der Akku sitzen soll – außen sichtbar am Rahmen oder unsichtbar im Rahmenrohr integriert –, ist Geschmackssache. Wen der sichtbare Akku nicht stört, der hat mit ihm einige praktische Vorteile: Die leichten PowerPacks sind mit einem Handgriff aus der Halterung genommen und lassen sich am Tragegriff einfach zum nächsten Stromanschluss tragen. So können die E-Bikes nach der Tour wieder verstaut werden, die Akkus laden über Nacht im Reisemobil. Zudem ist die außen sichtbare Version etwas günstiger als die integrierte Version.

Auch viele eingebaute Akkus lassen sich entnehmen – hier sollte der Käufer darauf achten, dass der Akku von oben oder seitlich in den Rahmen eingesetzt wird. Von unten eingesetzte Akkus können beim Entnehmen leichter herabfallen und Schaden nehmen. Zudem sind Akkus an der Rahmenunterseite stärker Schmutz und Nässe ausgesetzt.

Die Bremsen

Beim Thema Bremsen stellt sich im Grunde nur noch die Frage, ob das E-Bike Felgen- oder Scheibenbremsen hat. In jedem Fall sollten es hydraulische Bremsen sein. Mechanische Bremsen werden maximal noch im Billig-Segment verbaut und sind absolut nicht zu empfehlen. Viel zu schwach ist ihre Bremswirkung, die für die Kombination aus Gewicht (von E-Bike plus Fahrer) und Geschwindigkeit benötigt wird. Selbst bei herkömmlichen Holland- oder Cityrädern ohne E-Antrieb setzen bekannte Hersteller heute in der Regel auf hydraulische Bremsen.

Bei Felgenbremsen werden zwei Bremsbeläge von beiden Seiten gegen die Felge gedrückt, bei Scheibenbremsen drückt jeweils ein Kolben gegen die an beiden Radnaben montierten Bremsscheiben, was eine entsprechende Verzögerung bewirkt. Im Vergleich zu Felgenbremsen lässt sich mit Scheibenbremsen bei relativ geringem Kraftaufwand eine höhere Bremswirkung erzielen, weshalb auch Merida-Geschäftsführer Gerd Klose diese empfiehlt. „Die Bremsscheiben bei (kompakten) E-Bikes sollten mindestens einen Durchmesser von 180 Millimeter haben“, sagt er. Grundsätzlich gelte: Je sportlicher E-Bike und Fahrweise, desto größer die Bremsscheibe.

Der richtige Fahrradsattel

Den richtigen Sattel zu finden, ist nicht einfach. Denn was im Geschäft möglicherweise bequem erscheint, wird auf einer längeren Tour mitunter zur Qual. Entscheidend ist neben Anatomie und Sitzposition aber vor allem auch die Gewohnheit. „Wer lange nicht mehr Fahrrad gefahren ist, muss sich an einen Fahrradsattel erst einmal wieder gewöhnen“, erklärt Erhard Mott. Um den richtigen Sattel zu finden, hat er zumindest einige Tipps:

Breiter oder schmaler Sattel? Bei der Auswahl hilft der Fachhändler. Meist benötigt man eine längere Gewöhnungsphase für einen neuen Sattel.
  • Die Daumendruck-Probe ist der falsche Weg. Denn auf einem zu weichen Sattel können sich die Sitzhöcker bei längerer Fahrt durchdrücken und stoßen dann auf die harte Schale unter der Polsterung.
  • Je sportlicher – also je weiter nach vorn gebeugt – die Sitzposition, desto schmaler muss der Sattel sein. Bei einer aufrechten Sitzposition wie bei den meisten kompakten E-Bikes darf der Sattel ruhig etwas breiter sein.
  • Grundsätzlich sollte der Sitzknochenabstand zur Sattelbreite passen. Gute Fachhändler messen den Abstand der Sitzhöcker und übertragen ihn auf die passende Sattelgröße.
  • Bei Hüftproblemen oder Rückenbeschwerden im Lendenwirbelbereich kann ein beweglicher Sattel helfen, Verspannungen zu lösen und Schmerzen zu lindern.
  • Auf längeren Touren hilft eine Hose mit Sitzpolster, Druck und Schmerzen zu vermeiden.

Unser Fazit

Es ist verblüffend, aber kompakte 20-Zoll-E-Bikes können mit ihren großen Brüdern in puncto Fahrkomfort, Geschwindigkeit und Ausstattung mühelos mithalten und bieten für Camper zusätzlich wertvolle Vorteile bei Gewicht und Packmaß. Mit hochwertigen Scheibenbremsen, einem soliden Motor und einem Akku mit ausreichend Kapazität sind die kleinen Flitzer der ideale Begleiter auf dem Campingplatz. Einige aktuelle Modelle finden Sie in der Tabelle zum Vergleich – zugegeben, es sind alles sehr hochpreisige, aber hochwertige Modelle.

Redaktion
Maren Siepmann
Maren Siepmann ist seit August 2014 bei Camping, Cars & Caravans und für die Themen Praxis & Zubehör zuständig.
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