Silbern glänzend und aerodynamisch geformt: Der Name Airstream (auf Deutsch: Luftstrom) kommt nicht von ungefähr. Vor 90 Jahren gründete Wally Byam ein Unternehmen für leichtgewichtigen Campinganhänger, die von jedem Standard-PKW gezogen werde konnten. Die Außenhülle war aus Gewichtsgründen komplett aus unlackiertem Aluminium gefertigt, was den Wohnwagen ein unverwechselbares Design gab und ihnen den Spitznamen „Silver Rocket“ oder „Silberling“ gab. Die glänzende Form der Airstreams weckte Assoziationen an die mondäne Art des Reisens mit Luftschiff oder Flugzeug. Exklusivität. Heute besitzen die Airstream Caravans längst Kultstatus.
Ein Mann, ein Anhänger und ein Zelt
Die Geschichte von Airstream beginnt im Jahr 1929, als Wallace „Wally“ Byam einen Flachbett-Anhänger hinter sein Auto, einem Ford Model T hängt. Auf einem Campingplatz in den Blue Mountains im Nordosten von Oregon baut er auf dem Anhänger ein Zelt auf. Der Aufbau ist umständlich und Wallys Ehefrau beschwert sich über mangelnden Komfort. Also macht sich Wally an die Arbeit, seinen Wohnwagen zu verbessern. Er hat als Jugendlicher Schafe gehütet und zeitweise in Schäferwagen gelebt. Er weiß, worauf es ankommt und zimmert aus Leinwand und Sperrholz eine tropfenförmige Außenhaut auf den Anhänger. Ausgestattet ist der Wagen mit einem Kerosin-betriebenen Ofen und einer Kühltasche.
Anfangs wurden nur Baupläne verkauft
Wally arbeitet im Journalismus und in der Werbung. Aufgrund des hohen Zuspruchs an seinem Caravan verfasst er den Artikel „Wie man für einhundert Dollar einen Wohnwagen baut“. Der Artikel über seinen DIY Wohnwagen erscheint im Magazin „Popular Mechanic“ und entfacht großes Interesse. Die Leser fragen nach den Bauplänen. Wally, cleverer Geschäftsmann, schaltet daraufhin Werbung im gleichen Magazin und bietet die Baupläne anfangs für 1 Dollar, später für 5 Dollar zum Kauf an. Eine lohnende Idee: Wally verdient mit dem Verkauf der Blaupausen mehr als 15.000 Dollar. Gemessen an der Kaufkraft entspricht das heute knapp 250.000 US Dollar. Der Grundstein für sein späteres Unternehmen.
1931 ist die Geburtsstunde des Airstream
Doch es bleibt nicht beim Verkauf der Baupläne. Als Wally von seinem handwerklich nicht so begabten Nachbarn gefragt wird, ob er ihm diesen Wohnwagen wie auf den Plänen bauen könne, willigt er ein. Er beauftragt einen Handwerker, der baut den Wohnwagen in Wallys Hinterhof. „Kaum war dieser fertig, wollte der Nachbar eine Tür weiter auch einen,“ so Wally. Der Auftrag geht wieder an den Handwerker. „Dann beschwerten sich die Nachbarn über den vielen Lärm,“ gibt Wally zu, „deshalb mietete ich mir ein Gebäude.“ Das war im Jahr 1931. Wally gründet eine Firma und nennt seine auffälligen Wohnwagen „Airstream“. Das erste Model ist der „Torpedo“.
Die richtige Idee zur richtigen Zeit
„Meine Wohnwagen bewegen sich auf der Straße leicht wie ein Luftzug – like a stream of air.“, erklärt Wally Byam. Er hat damit den Nerv der Zeit getroffen. Die Sehnsucht, in einem Caravan das Land zu entdecken ist ein Stück amerikanische DNA, die ihren Ursprung bei den Pionieren, Goldgräbern und Siedlern in Planwagen auf dem Weg nach Westen hat. Während 1931 in Deutschland Arist Dethleffs seinen allerersten Wohnwagen baut und als Pionier gilt, gibt es in Amerika bereits 48 Caravan-Hersteller. Fünf Jahre später liegt ihre Zahl bereits bei mehr als 400. Der Markt ist hart umkämpft – aber nur Airstream hat sich als einzige der damaligen Marken bis heute behauptet.
Wohnwagen wie Flugzeuge
Im Jahr 1935 erfolgt ein wichtiger Schritt, der Airstream zu dem macht, was es auch heute noch ist. Wally Byam kauft die Bowlus-Teller Trailer Company. Der Inhaber, William Hawley Bowlus, von Beruf Luftfahrtingenieur, konstruiert die stromlinienförmigen Wohnanhänger wie ein Flugzeug ohne Flügel: Ein Monocoque aus Aluminiumrohr, beplankt mit genieteten Aluminiumtafeln. Leider ist William Hawley Bowlus als Geschäftsmann nicht so genial wie als Konstrukteur, er geht pleite. Wally die bankrotte Firma übernehmen und nimmt kleine Veränderungen am Grundkonzept vor. Die Tür etwa wandert von der Front an die Seite. Die Modelle im hippen Art-Deco-Design werden als „Airstream Clipper“ verkauft, eine Anlehnung an die „Pan Am Clipper“-Flugzeuge.
Das Aluminium wird knapp
Es folgen bewegte Geschäftsjahre. Der zweite Weltkrieg lässt die Produktion erliegen, da das verwendete Aluminium mit dem Kriegsbeitritt der USA nur noch schwer zu bekommen ist. Die US Regierung ordnet sogar an, dass Wohnwagen nur noch für den Kriegseinsatz und nicht mehr für privaten Zwecke hergestellt werden dürfen. Wally muß seine Firma schließen. Ein herber Schlag. Er und seine Mitarbeiter finden Arbeit in verschiedenen Flugzeugwerken. Doch aus der Not wird eine Tugend: die Erfahrungen, die sie dort sammeln, sollen Airstream nach Kriegsende nur zugutekommen. 1947 nimmt Wally wieder die eigene Produktion auf mit Modell Airstream Liner.
The American Way of Camping
Bereits im folgenden Jahr reist Wally mit seinem Freund Neil Vanderbilt Junior in das vom Krieg verwüstete Europa. Neils Absicht war es, das Nachkriegseuropa für Vortragsreisen zu filmen. Der Airstream muss auf den schlechten Straßen zeigen, was er kann. Geht etwas zu Bruch, wird es verbessert. Wally sieht die Reisen aber nihct nur als Testfahrt, sondern auch als einen Beitrag zur Völkerverständigung. Sinngemäß meint Wally scherzhaft: „Wir haben in den Ländern, die wir besucht haben, für mehr Sympathie gesorgt als alle Diplomaten in ihren feinen Anzügen zusammen.“ Die Airstream sind ein Aushängeschild des American Way of Life. Zeichen eines modernen, mobilen Lebensgefühls.
Die Karawane zieht weiter
Dieses Lebensgefühl wird Markenkern von Airstream. Dazu gehören auch von Wally persönlich angeführte Ausfahrten. Die erste Wohnwagen-Karawane organisiert Wally im Jahr 1951. Statt der 35 Teilnehmer, mit denen er für die Reise von Texas nach Nicaragua gerechnet hat, rollen 63 Wohnwagen vier Monate lang durch Mittelamerika. Es folgen Reisen auf der ganzen Welt. Der Höhepunkt dürfte 1959 eine Tour von Cape Town in Südafrika nach Kairo gewesen sein. Die Reisen sind ein echter „Härtetest“. Wenn während der Fahrt Mängel auftreten, gibt Wally sofort Verbesserungsvorschläge per Funktelefon ins Werk durch.
Keine Veränderungen
Diese Wohnwagen-Karawanen sind perfekte Werbung für Airstream. Die Bilder und Berichte werden entsprechend genutzt und vermarktet. Rückblickend eine sehr moderne Idee. Die augenscheinliche Zuverlässigkeit, aber auch die Beständigkeit in der Formensprache führt schließlich zum Kultstatus der Silberlinge. Tatsächlich gibt es im Laufe der Jahrzehnte nur fünf Änderungen im Design. Die Hauptmerkmale bleiben unangetastet. Einen Airstream erkennt man sofort. Wallys Wahlspruch: „Wir machen keine Veränderungen – sondern Verbesserungen.“
Ein Stück Lebensgefühl
Noch heute werden die Aluminium-Panele von Hand mit mehreren Tausend Nieten verbunden. Das Ergebnis ist ein leichter und selbsttragender Aufbau. Dann wird der Schalenrumpf mit dem Fahrgestell montiert. Bevor die Innenhaut und die Möbel eingebaut werden, testet Airstream jedes Fahrzeug auf Herz und Nieren. Rund zwei Drittel aller je gebauten Caravans mit der typischen Zeppelinform rollen heute noch auf den Straßen der Welt, ganz im Sinne Wally Byams: „Abenteuer ist überall dort, wo du es suchst, an jedem Ort – außer Zuhause in deinem Schaukelstuhl.“ Wally Byam starb am 22. Juli 1962. Sein Vermächtnis bleibt. In Form eines in eine silberne Zigarre gegossenen Lebensgefühls.
Airstream in Deutschland
Obwohl für den amerikanischen Markt konzipiert, bietet Airstream auch einige Modelle für den europäischen Markt an. Für Deutschland werden diese Modelle bei Roka im Westerwald mit einem anderen Chassis und einer anderen Deichsel versehen. Vier Modelle stehen zur Auswahl: Der 6,8 Meter lange Typ 534 kann mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 1.900 Kilo zum Beispiel von einem VW Tiguan gezogen werden, der Airstream 604 braucht dank eines zulässigen Gesamtgewicht von 2.680 Kilogramm schon einen BMW X5 oder Audi Q7. Mit dem Airstream 684 (2.920 Kilo) und dem Modell 25IB (3.500 Kilo) ist man dann endgültig in der „3.500er-Klasse“ vom Schlage eines VW Amarok, Land Rover Discovery oder ähnlichem angekommen.
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