Größe ist durch nichts zu ersetzen außer durch Größe. Warum darf es also nicht einmal etwas mehr sein? Der neue Prestige 620 CL von Hobby setzt exakt hier an. Was sagen die Profis von CCC dazu?
Die gehobene Mittelklasse aus Rendsburg hat für die aktuelle Saison Feinschliff erhalten, ein erfolgreiches Produkt braucht schließlich nicht dauernd Neuerungen. So ist der Prestige weiterhin mit dem zweifarbigen Rijeka-Eiche-Dekor eingerichtet – mit hellen Klappen und Türen im dunklen Korpus. Der neue Grundriss 620 CL auf Tandemachser mit der beliebten C-Sitzgruppe, die dank viertem Schenkel mindestens einen weiteren Sitzplatz offeriert, ist für zwei Personen konzipiert. Die große L-Küche, Kleiderschrank und Bad trennen den Raum zu den Einzelbetten.
Der acht Meter lange Tandemachser ist sicherlich kein typischer Reisewagen, doch dafür ist in seinem breiten Aufbau jede Menge Platz für zwei und Gäste. Der 620 CL ist Hobby-typisch auch ohne Extras weitgehend komplett ausgestattet. 22.190 Euro ruft Hobby auf und da der Testwagen noch Teppich, TFT-Display und Rollrost zwischen den Einzelbetten mitbringt, kostet er 23.419 Euro.
Karosserie
„Mit den voluminösen Aufsatzteilen erinnert der Prestige durchaus an das Topmodell Premium.“ Karosseriemeister Rudi Stahl findet die aktuelle Hobby-Optik stimmig. „Das breite, graue Fensterband mit dem großen H-Logo sieht klasse aus, streckt den Wagen optisch und wirkt edel, indem es die Fenster einbindet, die ein Aufbaudesign schon stören können.“ Die PU-Formteile am Bug verbinden die Front optisch mit der gesamten Karrosse, zumal sie exakt an die Dachprofile anschließen.
Der Prestige-Aufbau ist gut verarbeitet, „im Deichselkasten oben ist die Schnittkante speziell geschützt – das ist super gemacht in diesem doch oft etwas vernachlässigten Bereich. Auch die Anschlussfugen zwischen Deichselkasten und Aufbau sind perfekt abgedichtet.“
Die Rangiergriffe sind stabil montiert, vorn allerdings passen die Griffschalen nicht exakt auf das Trägerprofil. So steht der Griff außen leicht ab.
Die geraden und sauber gestoßenen Kederschienen zeigen ebenfalls ordentliche Arbeit am Aufbau. Karosserieschürzen und Radläufe sind ohne große vermeidbare Schmutznester konstruiert und angebaut. Die verlängerten Stützenkurbeln sind hinten perfekt erreichbar, vorn muss man ein wenig in die Schürze hinein, das geht aber recht gut. Der Toilettenschacht ist ordentlich montiert, könnte aber besser abgedichtet sein, hier fehlt vorn unten einfach eine Silikonnaht in der Anschlussfuge zum Aufbau. Rudi Stahl ist mit dem Hobby rundum zufrieden.
Technik
Auch TÜV-Ingenieur Roman Heinzle ist auf den ersten Blick angetan vom Prestige. Alle Kantenradien und die Beleuchtung sind in Ordnung. Der Gaskasten öffnet mit seiner Busklappe weit und ist sehr gut zugänglich. Die Flaschen stehen gut gesichert, die Entlüftung übernimmt ein breiter Spalt zwischen Boden und Aufbau. „Kleinteile sind hier also eher nicht so gut aufgehoben“, mahnt Heinzle. Ein sehr praktisches Detail sind die Außenanschlüsse für Strom und TV im Vorzelt. Diese Anschlussdose ist im Excellent, Prestige und Premium serienmäßig – klasse.
Im Inneren ist in Sachen Sicherheitstechnik alles in Ordnung und nur den Rauchmelder in dieser Preisklasse als Extra anzubieten, findet Heinzle unpassend. Wie seit Langem bei Hobby üblich, hat der Prestige die CAN-Bus-gesteuerte, elektrische Infrastruktur, die Beleuchtung, Temperatur, Füllstände und anderes steuert oder anzeigt. Ein ausgefeiltes System, mit dem sich die gesamte Beleuchtung im Caravan steuern lässt, aber auch verschiedene Beleuchtungsszenarien programmieren lassen. „Doch es braucht schon etwas Einarbeitung, will man diese Technik mit allem Komfort nutzen, den sie bieten kann“, befindet Heinzle.
Die Küche ist mit dem Reihen-Dreiflammkocher mit Taktfunkenzündung, dem schmalen 150-Liter-Kühlschrank und drei Steckdosen gut gerüstet. Am Bett und im Bad gibt es je eine weitere Steckdose. In der Sitzgruppe finden sich zwei USB-Anschlüsse, auf Steckdosen verzichtet Hobby hier.
Als TV-Platz ist ein Auszug auf der Seitenwand des Kleiderschrankes vorgesehen, „da hat bestenfalls ein 19-Zoll-Monitor Platz. Aber wer will schon fernsehen, wenn er mit solch einem Caravan den Urlaub genießt?“, lacht Heinzle abschließend.
Inneneinrichtung
„Das kontrastfarbene Holz ist hochmodern und die Gestaltung in sich stimmig.“ Im Prestige muss Schreinermeister Oli Pfisterer keine störenden Elemente monieren, da ist alles wie aus einem Guss, selbst die Badtürklinke ist passend zum Handgriff im Einstieg gestaltet.
Der gerundete Block aus Kleiderschrank und Bad neben der Tür sorgt im sowieso breiten 620 CL für enorm viel Raumgefühl. Die C-Sitzgruppe und die Betten sind bis auf Kleinigkeiten gut gemacht. „Auf den bespannten Paneelen an den Seitenwänden liegen chromfarbene Rosetten unter den ungleich tief versenkten Schraubenköpfen, das könnte noch besser aussehen.“ Bis auf einige sichtbare Verbinder bleibt das die einzige Kritik an der optischen Erscheinung des Prestige. „Und wir mäkeln da schon auf recht hohem Niveau“, grinst der Profi. Die Beschläge punkten mit einer Besonderheit, ganz à la Hobby: Statt Anschlagpuffern lassen Softclose-Elemente die Klappen sanft schließen. Die Küchenauszüge haben auch Selbsteinzug, aber die Zargen dürften höher und stabiler sein. Auch die Bettaufsteller sollten stärker sein und die Matratzen stoßen beim Öffnen oben an den Ablagen an. Lattenroste und Schlösser sind Standardqualität, die Verriegelung der Küchenoberschränke ist etwas fummelig, funktioniert aber.
In Sachen Montage und Verarbeitung überzeugt das Prestige-Mobiliar. Im Bad und der Küche könnte aber die Abdichtung noch etwas besser sein. Da es im Bad keine Dusche gibt und in der Küche nur der Bereich um den Herd betroffen ist, bleibt die Kritik gering, beendet Pfisterer seine Beurteilung.
Wohnwert
„Die Sitzgruppe in Kombination mit der großen L-Küche, das sieht schon toll aus.“ Wohntesterin Christiane Eckl gefällt der CL-Grundriss. Neben dem großartigen Raumgefühl ist der Prestige 620 CL aber auch praktisch eingerichtet. Die Rüttelborde unter den Oberschränken in Sitzgruppe und Schlafabteil befindet die Testerin oft als viel praktischer als größere Schränke.“
Die Tür des kleinen Schrankes am Einstieg sollte aber auf der anderen Seite angeschlagen sein, so stört die Schrankklappe, wenn man von außen an das Fach will. Bad und Küche können in der Wohnwert-Beurteilung gleichermaßen punkten. Das Bad hat zwar Standardmaße, ist aber groß genug, zumal keine Dusche installiert ist. „Dann würde ich aber für einen ebenen Badeingang gern auf die Duschwanne verzichten“, so die Wohntesterin. Viel Licht und reichlich Stau- und Ablagemöglichkeiten machen den Sanitärbereich angenehm nutzbar.
Die riesige Küche punktet nicht nur mit dem 150 Liter fassenden, schlanken Kühlschrank, einem Dreiflammkocher und Edelstahlspüle.
Auf dem Kocher haben sogar 28-Zentimeter-Töpfe Platz. Ein schmaler und drei große Oberschränke sowie die breiten Auszüge nehmen einiges an Gerät und Vorräten auf. Das Highlight unter der gewaltigen Arbeitsfläche ist das aufwendige Eckelement mit den herausdrehbaren Zwischenböden. Nur der Mülleimer in der Aufbautür ist ihr zu weit entfernt.
Super zentral ist dagegen die Lichtsteuerung. Direkt vom Eingang aus lässt sich die gesamte Beleuchtung steuern, drei Kombinationen aus Spots, Deckenleuchte und Ambiente-Licht lassen sich speichern. In jedem Bereich schaffen eigene Schalter den separaten Zugriff auf die jeweilige Beleuchtung.
Fahrsicherheit
Mit seinen 1,9 Tonnen Gesamtmasse geht der große Prestige noch locker auf die Pendelbühne bei den Chassis-Profis von Al-Ko. Auf der Waage fällt er sofort doppelt positiv auf, die Radlasten sind mit 758 Kilogramm links und 754 Kilogramm rechts perfekt austariert und das Leergewicht stimmt sehr gut mit der Herstellerangabe überein. So hat der 620 CL auch ohne Auflastung genug Zuladungsreserve. Immerhin 332 Kilogramm Bruttozuladung dürften einem Paar in der Regel reichen. Für 445 Euro gibt es Auflastungen bis auf 2.200Kilogramm, da kann man sich im Zweifel die persönliche Wunschzuladung aussuchen.
Mit 56 Kilogramm Stützlast ist der leere 620 CL kopflastiger, als er sein müsste, sinnvoll beladen lässt sich dieser Prestige nicht auf die üblichen 75 Kilogramm Stützlast zum pendeln trimmen, so wird er mit 90 Kilogramm Druck auf der Deichsel getestet.
Bei den Resultaten liegt er im Vergleich zu anderen Profitest-Kandidaten seiner Größe gut im Durchschnitt. Das Gierträgheitsmoment GTM ist fast 3,5 Prozent besser als der Durchschnitt. Die Deichsellänge ist dagegen vergleichsweise knapp gehalten, so bleibt der Fahrdynamikkennwert, in dessen Berechnung das GTM und die Deichsellänge einfließen, gut zwei Prozent hinter dem Klassendurchschnitt zurück. Der große Tandemachser ist mit seiner Stabilisierungseinrichtung und den Stoßdämpfern auch für Tempo 100 gerüstet. Die Reifen dürften allerdings mehr Tragfähigkeitsreserve haben, gerade mal zwei Tonnen Tragkraft haben die vier Räder insgesamt. Auch die technisch weniger aufwendige Längslenkerachsen kosten hier Punkte.
Zu guter Letzt
Der Prestige 620 CL überzeugt die Tester nicht nur mit seinem Raumgefühl. Wer große Wohnwagen gewohnt ist, findet diesen Zuschnitt sicherlich gelungen. Die riesige Sitzgruppe und die zweischenklige Küche sorgen schon für einen besonderen Eindruck. Auch das aktuelle Möbeldekor und die Innengestaltung schaffen eine Optik, die sowohl jüngere wie ältere Camper ansprechen dürfte. Die äußere Hobby-Optik kommt nach wie vor sehr gut an. Dezente Farben und die großen Aufsatzteile sorgen für einen formvollendeten Auftritt.
Die serienmäßige Ausstattung vom großen Kocher über den schmalen Kühlschrank mit viel Volumen bis zur 5000er-Truma-Heizung mit 12-Volt-Gebläse ist tadellos. An der Montage von Aufbau, Möbeln und Technik üben die Profis nur in Details Kritik. Bezüglich der Standfestigkeit aller Einbauten sind die Tester zuversichtlich. Aber dies kann nur die Zeit zeigen. Für rund 22.000 Euro ist der 620 CL durchaus prestigeträchtig und bietet sehr viel Caravan fürs Geld.
Fazit
Hobby und Prestige – das waren viele Jahrzehnte in Camperkreisen nicht unbedingt Synonyme. Doch die Rendsburger zeigen einmal mehr, das Billig-Image ist längst Vergangenheit. Wenn dieser Hobby in den Wertungen für Möbelbau und Karosserie den Punktedurchschnitt aller Profitests nicht ganz erreicht, zeigt das nur, man muss hier und da Abstriche machen, wenn ein Caravan ein paar Tausender unter manchem direkten Konkurrenten liegt. Doch bedeutet das keine schlechte Qualität. Die Frage ist, wie viel Qualität und Technik will ich und was gebe ich für wie viel Prestige aus. Der Prestige 620 CL schneidet in allen Disziplinen durchaus beachtlich ab, sodass sich mit diesem Hobby niemand verstecken muss – insbesondere Menschen, die das großzügige Wohngefühl und den Komfort zu schätzen wissen.
Infobox
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